Sein Körperbau war recht maskulin, dennoch hatte sein äußeres Erscheinungsbild auch etwas Feminines, was mitunter an seinen langen dunkelbraunen Haaren lag, die er meistens zu einem Pferdeschwanz zusammenband, sobald er das Haus verließ. Seine Gesichtszüge waren weich, die braunen Augen erinnerten an einen süßen Teddybären, den man knuddeln möchte und auf die vollen Lippen waren so einige Mitmenschen neidisch gewesen. Ja, so manches Mal durfte er sich anhören, er sehe aus wie Henry Turner, der in dem Film Pirates of the Caribbean: Salazars Rache von Brenton Thwaites gespielt wurde. Er müsse sich nur noch so kleiden, witzelte einst eine Freundin. Noah sah dies aber völlig anders. Sicherlich hätten Brenton und er vom Aussehen her Geschwister sein können, aber ein gigantischer Unterschied lag wohl am Einkommen. Noah war nämlich nur ein Verkäufer in einem Möbelhaus und verdiente gerade mal knapp über 1900 EUR Netto im Monat, was bei einer Inflation von 10 % und gierigen Leuten, die den Hals nicht voll genug bekommen konnten, nicht sonderlich viel war. Dass er jetzt 1900 EUR zur Verfügung hatte, lag allerdings auch nur daran, weil er die Arbeitsstelle gewechselt hatte. Zuvor hatte sein Verdienst nämlich nur bei 1700 EUR gelegen. Im Grunde war er seiner Mutter, wegen der er von Brandenburg nach Nordrhein-Westfalen gezogen war, sogar recht dankbar dafür, dass sie krank geworden und bei einigen Dingen auf Hilfe angewiesen war. Nicht, dass er ihr eine Erkrankung gewünscht hatte, aber es kam mehr oder weniger passend – auch, wenn er seine alte Heimat ungemein vermisste. Einst war er der Liebe wegen nach Cottbus gezogen. Da die Beziehung aber nur für kurze Zeit hielt, folgte ein weiterer Umzug innerhalb der Stadt. Und nun, zwei Jahre später, war er zurück im Westen. Trotzdem fragte er sich immer wieder, warum seine Mutter ausgerechnet nach Dortmund ziehen musste, denn es gab bei Weitem schönere Orte zum Leben. Nicht, dass Dortmund gänzlich unattraktiv war, aber die Gegend, in der seine Mama wohnte, war nicht sonderlich schön. Gegen Ausländer hatte Noah, der selbst kanadische Wurzeln hatte, sicherlich nichts, aber ein paar dieser Leute – vorwiegend in dieser Siedlung –, hatten keinerlei Anstand oder Respekt. Erst neulich, als er sich einen Zopf in der Öffentlichkeit machte, das Haar schwungvoll nach vorn und wieder zurückschwang, wurde er von ein paar Jugendlichen mit russischem Akzent für ein Mädchen gehalten. Als er sich zu ihnen umwandte, lachte man ihn ausgiebig aus. Das schallende Gelächter war kaum zu ertragen gewesen, was ihm zum schnellen Weitergehen veranlasst hatte. Seitdem nahm er stets einen anderen Weg, um zu seiner Mutter zu gelangen. Zu seinem Glück wohnte er in einem Gebiet, wo die Menschen noch etwas Respekt voreinander hatten. Gewiss hörte er auch dort gelegentlich mal, wie sich ein paar Leute in die Haare bekamen, aber im Allgemeinen war er recht zufrieden mit seiner Wohnung. Noah lebte nun seit zwei Monaten in einem Mehrfamilienhaus mit acht Mietparteien. Wer seine Nachbarn waren, hatte er noch nicht herausfinden können, aber das war ihm eigentlich ganz recht, denn aus Erfahrung wusste er, dass diese ziemlich anstrengend werden konnten. Abgesehen davon war Noah eher der Typ, der nicht viele Menschen um sich herum benötigte, um etwas mit sich anfangen zu können. Auf der Arbeit hatte er genug mit Kunden zu tun, da tat das Alleinsein oftmals sehr gut. Jedoch gab es eine Sache, die Noah wahnsinnig vermisste: den Sex! In Potsdam hatte er ein, zwei- oder auch dreimal im Monat mit einem Typen eine geile Fickerei am Start. Seitdem er allerdings in Dortmund lebte, herrschte tote Hose in der Buchse. Internet-Dating brachte gar nichts mehr, da die Jungs aus unerklärlichen Gründen nur noch Nachrichten austauschen wollten, anstatt sich in der realen Welt zu treffen, und Clubs oder Partys gab es so gut wie gar keine, die ihn interessierten. Eine Sauna war in der Nähe, aber da würde er kein zweites Mal hineingehen, da war er sich sicher. Also blieb ihm nur die Hand sowie seine zahlreichen Dildos, die er sich immer häufiger kaufte, um seine Lust wenigstens etwas befriedigen zu können. Es war zum Verzweifeln! Noah überlegte bereits, ob er für eine teure Fickmaschine Geld sparen sollte. Sich nämlich ständig selbst mit dem Dildo in den Arsch zu ficken, sich dabei einen von der Palme zu wedeln und dann noch einen weiteren Dildo leidenschaftlich zu lutschen, war nicht gerade einfach. Obendrein kam keine leckere Sahne aus dem Spielzeug für Erwachsene, was ihn nicht weniger abfuckte. Noah wollte doch einfach nur auf dem Bett liegen, die Beine spreizen, Arsch- und Maulfotze öffnen und sich ordentlich durchnehmen lassen. War das schon zu viel vom Leben verlangt? Das bislang einzig Gute an Dortmund war, dass es einen hohen Anteil an türkischen Männern gab. In Brandenburg lag der ausländische Anteil nämlich gerade mal bei 0,3 %, während es in Nordrhein-Westfalen schon über 32,6 % waren! Aber davon hatte er nicht viel, da keiner der oftmals bärtigen und haarigen Türken über ihn drüber rutschte. Es schien beinahe so, als wäre er verflucht. Verflucht, nie wieder Sex mit einem Mann zu haben!
Ende der Leseprobe!