FUNHOUSE

UMGEBEN VON IDIOTEN




Willkommen in der Welt der Verrückten!


Nur widerwillig lässt sich Björn auf die fünftägige Reise mit seiner Schulklasse auf einem Bauernhof ein. Er fühlt sich regelrecht von Idioten umgeben, bis er die Inhaberin und ihren Kollegen kennenlernt. Zusammen mit dem edelmütigen Daniel und der temperamentvollen Gabrielle versucht Björn, die Zeit zu überstehen, und erlebt Augenblicke, die absurder nicht sein könnten. Es geht drunter und drüber. Überspitzte Charaktere, die kein Schamgefühl kennen, bizarre Lehrer und ein fast normaler Schüler, der sich dem Absonderlichen stellen muss. Schräg, frech und urkomisch!

FUNHOUSE: Umgeben von Idioten

"Dieser Roman ist herrlich satirisch und bringt den Leser abwechselnd zum Grinsen und zum Lachen. Viele Klischees werden bedient und so angewendet, dass man gar nicht anders kann, als sich zu amüsieren. Der Schreibstil ist natürlich und lässt sich gut lesen, was zur Leichtigkeit der Lektüre beiträgt. Auch ein wenig Romantik darf natürlich nicht fehlen, so dass es alles in einem einen tollen unterhaltenden Roman ergibt, den man aber nicht lesen sollte, wenn man nichts mit Zweideutigkeiten oder anzüglichem anfangen kann."

(Leserin auf Amazon

Fakten & Daten:

- geschrieben: November 2014 
- Erstveröffentlichung: Dezember 2014
- gewidmet: Daniel Gillies 
- Korrektorat: Michael von Sehlen
- Seiten: 188
- Preis: 11,90 Euro (Buch) / 4,99 Euro (E-Book)




Realitätsgetreu

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Biografisch

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Fiktion

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Sex

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Gefühle / Liebe

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1)     Gehwege, Dächer, Sträucher und Bäume waren mit Schnee bedeckt. Kaum sichtbare Flocken fielen vom Himmel. Die Eltern verabschiedeten sich von ihren Kindern, die auf dem Schulhof vor einem abfahrbereiten Bus standen. Jeder herzte jemanden, nur einer nicht: Björn. Mehrmals hatte er nun schon mit den Augen gerollt und sich immer wieder die gleiche Frage gestellt: Wieso fahre ich überhaupt mit? Es war eine berechtigte Frage, denn Björn war bereits volljährig und hätte den einwöchigen Schulausflug in dieser kalten Jahreszeit auf einem Bauernhof auch sausen lassen können. Allerdings hätte er die Tage dann mit seiner Tante verbringen müssen, da sie Urlaub hatte.
   Noch ein halbes Jahr, dachte Björn, während er auf seine Klassenkameraden blickte, dann werde ich meinen Abschluss haben, und dann können die mich alle mal kreuzweise am Allerwertesten lecken.
   „Björn!“, rief Frau Stotter. Auf eine Reaktion wartend starrte sie auf die Rückenansicht ihres ältesten Schülers. Ihr passte es nicht, dass er nicht reagierte. „Björn!“ Genervt stemmte sie die Hände in die Hüften. „Sag mal!“, fluchte sie und ging zu ihm hinüber.
   Plötzlich spürte Björn eine Hand auf seiner Schulter. Erschrocken fuhr er zusammen und drehte sich um. Er schaute der einen Kopf kleineren Lehrerin ins Gesicht. Ihre grauen Augen wirkten auf ihn wie der Tod höchstpersönlich – nur nicht so sympathisch. „Ja?“
   „Was stehst du da noch herum?“, fragte sie gestresst. „Die anderen sind schon alle drin!“
   Björn sah zum Bus und zuckte gleichgültig die Achseln. „Und?“
   „Wie und?“
   Warum Frau Stotter sich immer so gekünstelt aufregen musste, hatte Björn noch nie verstanden. „Kein Weltuntergang.“
   „Wir wollen jetzt aber so langsam los!“ Stotter schüttelte den Kopf. „Die Fahrt dauert schließlich drei Stunden!“
   „Kann man noch eine rauchen?“, fragte Björn gelassen.
   Fassungslos sah Stotter ihn an. „Es wird nicht geraucht! Weder jetzt noch auf dem Bauernhof! Erwische ich dich beim Rauchen …“, sie hielt inne, denn Björn schien von ihren Worten ziemlich gelangweilt. „Ich beschlagnahme jede Zigarette, die ich finde!“
   Björn musste schmunzeln. Er wusste, dass sie ihm gar nichts wegnehmen konnte. Schließlich war er 18 Jahre alt.
   Herr Nadeltief machte einen Schritt aus dem Bus und schaute zu seiner Kollegin hinüber. „Kommt ihr jetzt endlich mal?“
   „Los!“, forderte Stotter. „Sonst …“
   „Sonst was?“, fragte Björn mit spöttischem Unterton und ging mit einem kleinen Lächeln an ihr vorbei. Er stieg in den Bus, der nach zig verschiedenen Parfums stank – gemischt mit etwas Schweiß – und vernahm das Gerede seiner Mitschüler wie im Dämmerzustand. Für ihn gab es nichts Schlimmeres als tratschende Weiber am frühen Morgen, und pubertierende Jungs, die einen auf ganz cool machten. Nach ganz vorn setzte Björn sich. Einzelplatz, denn mit den anderen wollte er einfach nichts zu tun haben. Sie waren ihm zu kindisch, zu unreif. Kurz gesagt: Einfach zu dumm. Manchmal hasste er seine Tante dafür, dass sie so oft umzog und er ständig die Schule wechseln musste. Ganze dreimal war er sitzen geblieben, weil er einfach nicht mehr mit dem Lernstoff hinterhergekommen war. Eigentlich hätte er die Schule abbrechen und seinen Abschluss auf einer Abendschule machen können. Doch so kurz vorm Ziel wollte er den Schwanz nicht einziehen. Dass er allerdings überhaupt noch auf der Gesamtschule sein konnte, verdankte er seiner feurigen Tante, die gerne einmal in die Luft ging. Im Prinzip hätte der Rektor ihn einfach abgehen lassen können, da Björn seine zehn Jahre längst voll hatte.
   Der Bus fuhr los und Björn steckte sich die Stöpsel seines MP3-Players in die Ohren. Das Geschnatter der anderen nervte ihn tierisch. Vor allem die immer freundlich tuende Christina mit ihrem blondierten Kopf, auf dem sich außerdem noch viele verschiedene Farben befanden (blaue Strähnen, rote, schwarze), ging ihm auf die Nüsse. Zwar tat sie immer einen auf nett, aber sobald man ihr den Rücken zukehrte, fing sie an zu lästern. Obendrein war sie mit ihren 16 Jahren ziemlich naiv. Dann gab es noch Werner, den Björn am liebsten in Stücke gehackt hätte. Immer wenn Werner umherlief, dachte Björn, es ereigne sich ein Erdbeben. Werner war nicht mollig, nein, er war fett. Stolze 140 Kilogramm brachte der gerade einmal 178 Zentimeter große Typ auf die Waage. Beim Sport hatte Björn immer die Befürchtung, dass die Unterschenkel des Mops auseinanderbrechen würden. Manchmal traute Björn sich gar nicht, zu ihm hinzugucken. Er hätte womöglich mehr bei einem Knochenbruch gelitten als der Beschädigte selbst.
   Trotz der Lautstärke seiner Musik konnte Björn sie lachen hören: Mathilda! Es klang grauenvoll. Mathilda lebte in ihrer eigenen Welt. Sie war stets bunt gekleidet und wirkte auf Björn wie eine, die sich täglich irgendwelche Drogen einschmeißt. Einst hatte Björn ein Gespräch zwischen Mathilda und ihren Freundinnen Sissy und Francisca mitbekommen. Sissy, die sich gerne wie eine Prinzessin kleidete (auch in der Schule), hatte erwähnt, wie Mathildas Zimmer geschmückt war. Die eingebildete Gottesanbeterin Francisca war ganz begeistert von Mathildas Einhörner- und Puppensammlung, den vielen Barbies und dem ganzen anderen Scheiß, den sich kleine Mädchen kaufen.
   Björn konnte nicht verstehen, wie Tussen zwischen 15 und 17 so dumm sein konnten. Sie taten ständig einen auf allwissend, verstanden ihre eigenen Worte aber nicht. Wer es wagte, sich auf eine Diskussion mit ihnen einzulassen, der hätte sich auch gleich die Kugel geben können. Es wäre auf jeden Fall nicht so schmerzhaft gewesen wie eine Unterhaltung. Aber so war es ja immer. Mädchen wie diese wollten nur das hören, was sie wollten. Was anderes ließen sie gar nicht zu, und wenn sie merkten, dass sie gegen jemanden keine Chance hatten – wie einst gegen Björn –, dann fing die Lästerei an.
   In seiner Schulklasse war Björn alles andere als beliebt. Als Ältester fühlte er sich einfach fehl am Platz. Was interessierten ihn schon die neuen Stöckelschuhe von Schieffuß Christina oder welcher Typ welche Tusse am Wochenende geknattert hatte? Björn hatte auch kein Interesse daran, andere zu beleidigen oder bescheuerte Streiche zu spielen. Erst recht wollte er sich nicht besaufen, nur um dazuzugehören. Ja, Björn war definitiv bestraft und er wusste nicht, weshalb.
   „Wirst du …?“, vernahm Björn eine Stimme. Fragend schaute er auf und blickte in das Gesicht von Herrn Nadeltief. Die Fratze von Nadeltief ekelte Björn dermaßen, dass ihn ein kalter Schauder überkam. Björn nahm einen Stöpsel aus dem Ohr.
   „Endlich nimmst du mal die Stöpsel aus den Ohren“, sagte Nadeltief. Für Björn hatte er von Beginn an kein Verständnis gehabt. Das ganze Auftreten des braunhaarigen Schülers mit den blonden Strähnen war ihm ein Rätsel. Nie hatte er verstanden, warum Björn sich selbst von den anderen ausschloss.
   „Werde ich was?“, fragte Björn.
Nadeltief schüttelte verständnislos den Kopf. „Und da wunderst du dich, dass du keine Freunde hast.“
   Björn runzelte verwirrt die Stirn. „Wer sagte denn, dass ich mich wundere?“
   „Du hättest schon längst deinen Abschluss in der Tasche haben können.“
   „Und das sagen Sie mir jetzt – mal wieder – weil …?“
   Nadeltief zog die Augenbrauen nach oben. „Du bist nichts Besseres als die anderen. Und ich bezweifle, dass du dich an den Aktivitäten im Urlaub beteiligen wirst.“
   „Und wie immer sprechen Sie in Rätseln.“
   „Ich verstehe dich nicht.“
   „Ohrenstäbchen helfen manchmal“, gab Björn angestrengt zurück. Als er automatisch auf Nadeltiefs schiefe Vorderzähne sah, wäre ihm fast das Frühstück wieder hochgekommen.
   „Wir können uns alle wirklich glücklich schätzen, wenn du endlich weg bist.“
   Gerade, als Björn darauf antworten wollte, schnitt ihm ein Schüler das Wort ab.
   „Wieso bist du eigentlich mitgekommen?“, wollte Nils wissen, der sich neben ihn gestellt hatte.
   Behelligt von Nils Anwesenheit, steckte Björn den Ohrstöpsel wieder rein. Nils hatte er gefressen! Ein arroganter Kiffer mit hässlichen grünen Augen. Für etwas ganz Besonderes hielt sich Nils. Aus dem Augenwinkel erkannte Björn, dass der Lehrer und Nils beim Davongehen abschätzig dreinblickten. Darauf ging er aber nicht ein, denn es wäre pure Zeitverschwendung gewesen.
   Die Fahrt zog sich in die Länge und aus angeblichen drei Stunden wurden mehr als fünf. Zu oft musste einer der Mädchen aufs Klo oder der Bus stand im Stau.
 
2)    Endlich!, dachte Björn, als das Ziel gegen 14 Uhr so gut wie erreicht war. Sie fuhren durch einen schmalen Weg, der von schneebedeckten Bäumen umgeben war. Der Bus hielt an und Björn war der Erste, der den Wagen verließ. Prompt lief er einige Meter durch den Schnee, der unter seinen schicken und teuren Stiefeln von Frye knatschte. Er öffnete den Reißverschluss seiner Leder-Winterjacke, fasste in die Innentasche, holte eine Schachtel heraus und entnahm ihr eine Zigarette, die er sich anzündete. „Boah, tut das gut!“ Von Weitem beobachtete er die anderen, wie sie die Koffer aus dem Bus hoben und ins Innere des Gebäudes gingen. Andauernd hatte jemand etwas zu lachen. Nur Christina nicht, denn sie war so blöd gewesen und hatte sich bei diesem Wetter Stöckelschuhe angezogen. Es war ja nicht nur so, dass es kalt war und sie keine Socken anhatte, nein. Obendrein waren überall dreckige Pfützen, in die sie natürlich reinlatschen musste. Dass sie auf dem Schnee nicht ausrutschte, war pures Glück.
   „Wo ist Björn?“, fluchte Frau Stotter. Sie blickte um sich. „Wo ist er? Seine Taschen kann er schön selbst rausheben!“
   Björn schnippte den Zigarettenstummel weg und ging zurück zum Bus.
   „Da bist du ja!“ Stotter machte ein genervtes Gesicht – etwas, was sie andauernd tat, wenn ihr irgendetwas nicht passte. Und Scheiße, der Frau passte so einiges nicht.
   Wortlos nahm Björn seinen Rucksack und seine Sporttasche an sich.
   „Hallo?!“ Fassungslos sah Stotter ihm nach. „Dieser Junge treibt mich noch in den Wahnsinn!“
   Björn kniff grinsend die Lippen zusammen und sah fasziniert auf das zweistöckige Bauwerk. Große verschlossene Tore, wo sich wahrscheinlich die Kühe oder sonst etwas dahinter befanden. Weiter rechts stand noch ein kleines Häuschen. Ansonsten nur Zäune und eine schneebedeckte Landschaft. „Dann wollen wir mal“, murmelte er und ging durch den Eingang. Seine Klassenkameraden standen alle vor einem großen Raum. Wahrscheinlich die Lobby oder so, dachte Björn.
   „Sind wir jetzt alle anwesend?“, wollte Nadeltief wissen. Er sah zu Björn und wartete auf eine Antwort.
   Björn schaute ratlos über die Schulter und sah Stotter hineinkommen. Sie lief an ihm vorbei und streifte dabei seinen Arm. Warum sie ihn berühren musste, kapierte Björn nicht. Schließlich war genügend Platz vorhanden.
   Stotter stellte sich auf die Zehenspitzen und zählte die Köpfe. „Eins, zwei …“ Sie tat es so lange, bis sie bei 25 ankam. „Alle anwesend.“
   „So!“, sagte Nadeltief. „Jetzt seid mal alle bitte ruhig, damit die Inhaberin des Bauernhofs, Frau Damita, euch begrüßen kann.“
   „Ist der vielleicht süß“, vernahm Björn die Stimme von Mathilda.
   „Ja, der ist voll schnuckelig“, bestätigte Sissy.
   Mathilda blickte auf ihre Puppe, die sie in der Hand hielt. „Der ist voll süß, nicht?“
   Björn fand es irritierend, dass die Weiber von einem Mann sprachen, denn der Lehrer sagte doch Frau Damita und nicht Herr Damita. Nun wollte er unbedingt wissen, wer sonst noch da vorn stand. Da ihm die anderen aber die Sicht versperrten und ihn auch nicht vorbeiließen, hüpfte er mehrmals auf und ab. Leider sah er auch so nicht viel mehr. Brummend blickte er zu der Treppe, die sich rechts von ihm befand.
   „Hallo auch!“, hörte Björn eine Frau reden. Er stellte sich auf die dritte Stufe. Endlich konnte er sie sehen. Die Inhaberin hatte langes dunkelbraunes Haar und es schien aus der Entfernung sehr gepflegt. Eigentlich hatte Björn mit einer dicken, ungepflegten Tusse gerechnet. Eben solch eine, wie man sie so oft im Fernseher sah, aber die Latina sah im Allgemeinen wie ein Topmodel aus. Total sexy gekleidet und eine Hammerfigur. „Ich darf euch alle herzlich auf unserem Damita Bauernhof begrüßen!“
   Björn zuckte zusammen, denn die anderen klatschten unerwartet in die Hände. Manch einer jubelte sogar, was Björn total bescheuert fand. Noch lustiger fand er aber den Vergleich zwischen Stotter und der attraktiven Latina. Stotter sah neben der Frau wie ein armseliges, heruntergekommenes Mauerblümchen aus.
   „Ich bin Gabrielle und das“, sie zeigte zu ihrer Linken, „ist nicht nur mein bester Freund, nein!“ Gabrielle verlor für einen Moment den Faden, als sie auf Christinas Füße äugte. „Ähm, wo war ich? Genau.“ Sie lächelte, hätte aber viel lieber laut gelacht.
   Björn schaute sich den Mann von Kopf bis Fuß an. Ihm wurde auf der Stelle wärmer. Anzüge fand er in der Regel bescheuert, denn den meisten Kerlen standen sie einfach nicht. Nicht aber bei diesem Mann, dessen kurzes braunes Haar so schön im Licht glänzte.
   „Also“, sagte Gabrielle, „das ist Daniel.“
   „Süß“, hörte Gabrielle ein Mädchen schwärmen.
   „Und nein“, fuhr Gabrielle fort. „Daniel ist nicht mein Mann. Und bevor gleich noch welche in Ohnmacht fallen: Daniel ist homosexuell. Macht euch also keine Hoffnungen.“
   „Was?“, fragte Mathilda sichtlich enttäuscht und ließ fast ihre kostbare Puppe fallen.
   Björn hörte die Jungs, wie sie leise kicherten und tuschelten, während so manches Weib fast in Tränen ausbrach. Er selbst hingegen fand es toll.
   Daniel räusperte sich und flüsterte Gabrielle leise zu: „Musst du gleich immer mit der Tür ins Haus fallen?“
   „Na, du willst doch keins dieser Mädchen plötzlich nackt in deinem Bett vorfinden, oder?“
   „Nein, gewiss nicht.“
   „Dann sei mir gefälligst dankbar.“ Gabrielle lächelte in die Runde, hätte aber viel lieber eine Knarre benutzt. „Habt ihr euch dann wieder beruhigt, ja? Gut. Dann können wir ja fortfahren.“
   Sissy machte einen Schritt nach vorn. „Sind Sie wirklich schwul?“, fragte sie Daniel ohne Umschweife.
   Daniel guckte in ihr bitterernstes Gesicht und wusste gar nicht, was er erwidern sollte. Hilflos schielte er zu Gabrielle.
   „Ja, das ist er“, antwortete Gabrielle und scheuchte die Schülerin mit schnellen Handbewegungen zurück zu den anderen. „So! Außer Daniel …“
   „Der schwul ist“, kicherte Werner.
   „Was?!“, fragte Gabrielle erschüttert und versuchte den Laberkopf ausfindig zu machen. „Hat jemand was gesagt?“
   „Schwul“, flüsterte Werner erneut.
   „Ja!“, sagte Gabrielle etwas lauter. „Daniel ist schwul und Frauen“, sie sah auf die Schülerinnen, „also echte Frauen“, meinte sie hastig, „die können solche Großkotze wie dich nicht ausstehen. Wer also ein Problem damit hat, dass mein Geschäftspartner homosexuell ist, der kann sich gerne ein Taxi rufen und abzischen. Wenn es nämlich eines gibt, was ich nicht ausstehen kann, dann sind es Menschen, die sich über andere in der Öffentlichkeit lustig machen.“
   „Aber echt!“, fügte Frau Stotter hinzu. „Ein wenig Anstand bitte!“
   Daniel räusperte sich. „Meine Homosexualität“, sprach er mit einem edlen Akzent, der Björn ganz in seinem Bann zog, „steht hier nicht zur Debatte. Und falls ich mich nicht täusche, sehe ich hier mindestens drei oder gar vier Schüler und Schülerinnen, die das gleiche Geschlecht bevorzugen.“
Sofort verstummten alle. Björn fand das urkomisch und hätte am liebsten laut gelacht.
   „Seht ihr“, sagte Gabrielle begeistert, „geht doch. Also … neben Daniel und mir gibt es noch drei weitere Mitarbeiter in diesem Hause. Frau Lena Mops, die für die Sauberkeit zuständig ist, und zwei, Peter und Christian, die eben alles andere machen. Ihr lauft ihnen sicherlich irgendwann über den Weg.“
   „Und jetzt“, sagte Daniel, „wo wir das auch geklärt haben, werden wir euch gleich zu euren Zimmern führen. Ich nehme doch mal schwer an, dass jeder weiß, wer mit wem zusammen in einem Zimmer schläft.“
   „Ähm …“, sagte Stotter peinlich berührt, „so ganz genau haben wir das noch nicht festgelegt. Wir haben 14 Mädchen und 11 Jungs.“
   „Und wir“, meinte Daniel, „haben zehn freie Zimmer.“
   Björn hätte sich am liebsten ein Taxi gerufen. Er war fest davon ausgegangen, dass jeder sein eigenes Zimmer bekommen würde. Warum sonst wurde nie besprochen, dass es keine Einzelzimmer gab? So etwas tat man doch vorher und nicht erst, wenn man bereits am Urlaubsort angekommen ist!
   „Dann müssen wir“, sagte Nadeltief, „eben kurz überlegen, wer mit wem in welchem Zimmer schläft.“
   „Wir haben ein paar Doppelzimmer und welche für drei Personen“, klärte Daniel auf. „Mädchen schlafen getrennt von den Jungs! Dies ist nämlich ein Ferienbauernhof und kein Bordell.“
   Schnell war entschieden, dass Björn sich ein Zimmer mit zwei Schülern teilen durfte, und das ausgerechnet mit Werner und Nils! Björn war alles andere begeistert und schaute auch dementsprechend grimmig drein.
   „Sobald“, sagte Gabrielle, „ihr eure Sachen in den Zimmern verstaut habt, treffen wir uns alle hier unten wieder. Da Mädchen anwesend sind, sagen wir so in einer Stunde. Dann werden wir mit euch einen Rundgang machen.“
   „Habt ihr verstanden?“, fragte Nadeltief herrisch. Ein angestrengtes „Jaaaa“, bekam er als Antwort.
   „Dann auf!“, sagte Daniel mit erhobener Stimme. Kaum einen Fuß nach vorn gesetzt, machten ihm die Schüler auch schon Platz. Ob es aus Höflichkeit war oder aus Angst, sich mit Homosexualität anzustecken, konnte Daniel nur erahnen. Er ging zur Treppe und blieb abrupt stehen, als er Björn vor sich stehen sah.
   Björn schluckte schwer, als er in Daniels braune Augen sah. Noch nie stand er einem Mann gegenüber, der so viel Charme versprühte.
   „Du bist mir ja noch gar nicht aufgefallen“, sagte Daniel mit einem kleinen Lächeln. „Abseits von den anderen und stiller als eine Maus.“
   „Heimliche Taktiken des Überlebens“, antwortete Björn, dem in Daniels Nähe wohlig wurde. „Manch einer würde dazu geistige Absenz sagen, andere wiederum okkultes Engagement.“
   „Und gebildeter als die Schar, die ihn umgibt.“ Daniel war beeindruckt. „Und wie würdest du es nennen?“
   „Sich nicht bemerkbar machen, um dem Wahnsinn zu entkommen.“
   Daniel musste schmunzeln. „Kann ich verstehen“, flüsterte er, als er an Björn vorbeiging.
   Björn blieb auf der Stelle stehen und ließ die Schüler an sich vorbeilaufen.   Grinsend blickte er auf und sah ihnen nach.
   Frau Stotter und Gabrielle zeigten den Mädchen ihre Zimmer, während Daniel zusammen mit Nadeltief die Jungs in ihre Behausungen führte.
   Werner freute sich, als er auf das große Bett sah. „Das ist meins!“ Er schmiss seinen Rucksack darauf.
   Nils guckte auf das Doppelhochbett. „Ich liege oben!“
   Dabei wollte Björn oben liegen! „Wie auch immer“, stammelte er und legte sein Zeugs unters Bett.
   Daniel öffnete den Kleiderschrank. „Hier könnt ihr euer Gepäck verstauen.“
   Nie im Leben hätte Björn seine Sachen mit denen von Nils und Werner in einen Schrank gelegt.
   „Noch Fragen?“, wollte Daniel wissen.
   „Ja!“ Werner rubbelte sich aufgeregt in die Hände. „Wo sind die WCs?“

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